Referenzaufnahme: Puccini, La Bohème

„Es ist nicht geboten, weil der Autor starb, von seinem Werk zu reden, als ob es unsterblich wäre“ schrieb der damals 24-jährige T.W. Adorno 1927 über Puccini (GS 19, S. 97). Und dennoch würden einige Puccini-Enthusiasten kein anderes Prädikat für ihren geliebten Meister zulassen als eben ‚unsterblich‘. Seine Opern zählen zu den meistgespielten Opern weltweit und La Bohème (1896) ist z.Zt. (Stand: 2011) die viertbeliebteste Oper der Welt überhaupt (Statistik: Operabase). Das Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica (die auch die Libretti zu anderen Puccini-Opern schrieben) basiert auf dem Roman Bohème: Szenen aus dem Pariser Leben (frz. Les scènes de la vie de bohème, 1849) von Henri Murger (1822-61). Es erzählt die Geschichte der Liebe zwischen dem Künstler-Bohémian Rodolfo und Mimì, einer Midinette (Näherin) im Pariser Quartier Latin von 1830; eine Liebe, die auf Grund von Mimis Krankheit tragisch endet. Kontrastiert werden die Leichtlebigkeit der Künstler-Freunde von Rodolfo mit der existenziellen Angst von Mimi und ihrem sozialen Stand. Zusammen mit Tosca und Madama Butterfly ist Puccini gleich drei Mal in den Top 10 der meistgespielten Opern der Welt vertreten. Kurz: Puccini ist ein Superstar unter den Opernkomponisten und La Bohème sein größter Hit. Da nimmt es nicht Wunder, dass die La Bohème-Diskografie eine scheinbar endlos lange Liste ist, angesichts derer man schnell den Überblick verlieren kann. Wir greifen aus dieser vielfältigen Menge drei Aufnahmen heraus, die als Referenzaufnahmen von Puccinis La Bohème gelten können und stellen diese kurz vor.

Referenzaufnahme von Puccinis La Bohème, Nr. 1: Toscanini, 1946

Die Uraufführung von La Bohème im Jahr 1896 im Turiner Teatro Regio dirigierte der damals gerade erst 28-jährige Dirigent Arturo Toscanini. Toscanini dirigierte Puccinis Opern unzählige Male während seiner jahrzehntelangen Karriere, die erst am 4. April 1954 in der Carnegie Hall endete, als die inzwischen 87 Jahre alte Legende bei einem Wagner-Konzert eine transitorische ischämische Attacke erlitt, eine Störung der Durchblutung des Gehirns, die ihn zum Ruhestand zwang. Drei Jaher später, am 16. Januar 1957, verstarb Toscanini, der wohl wichtigste Dirigent des frühen 20. Jahrhunderts, 89-jährig in New York. Nur sieben Opernaufnahmen sind von Toscanini erhalten, darunter als einzige Puccini-Oper: La Bohème in einer Aufnahme von 1946 (zum 50. Jubiläum der Oper) mit seinem NBC Symphony Orchestra. Die Hauptrollen singen in dieser Aufnahme Jan Peerce (Rodolfo) und Licia Albanese (Mimì). Toscaninis legendär gewordene Strenge, sein aufs Nötigste reduziertes Dirigat und sein stets aufs äußerste diszipliniertes Orchester machen diese historische La Bohème-Aufnahme zu einer der wichtigsten Referenzaufnahmen dieser Puccini-Oper. Die Tonqualität ist durch moderne digitale Überarbeitung verbessert worden, so dass sie auch auf modernen Stereoanlagen einen guten klanglichen Eindruck macht. Eine absolute Referenzaufnahme von La Bohème, die in jedes CD-Regal gehört.

Hier geht es zur Referenzaufnahme von La Bohème mit Toscanini (1946).

Referenaufnahme La Bohème, Nr. 2: Solti, 1973

Trotz der unzähligen Einspielungen dieser Oper fällt es den meisten Kennern nicht schwer, eine Aufnahme als besondere Referenz herauszugreifen: Soltis Einspielung von 1973 für die RCA (Radio Corporation of America). Solti dirigierte hierbei das London Philharmonic Orchestra, dessen Chefdirigent er sechs Jahre später in Nachfolge von Bernard Haitink werden sollte. Mit dem spanischen Opernduo, der Sopranistin Montserrat Caballé, damals 40-jährig, als Mimì und dem Tenor Plácido Domingo, damals 33-jährig, als Rodolfo hat Solti eine Idealbesetzung für die Hauptrollen gefunden, die bis heute das Publikum noch begeistern. Ergänzt werden die beiden Stars von einem hochkarätigen Ensemble mit Ruggero Raimondi (Colline) und Judith Blegen (Musetta). Das Ensemble unter Solti schafft es, die Dramatik der Bohème herauszuholen, ohne dabei in – sicherlich vorhandene – Kitsch-Fallen zu tappen. Der Klang ist hervorragend und die Aufnahmequalität muss sich auch vor modernsten HiFi-Geräten nicht scheuen. Vielleicht kann man über diese Aufnahme sagen, dass sie v.a. Hörerinnen und Hörern zu empfehlen ist, die einen guten Einstieg in Puccinis Oper suchen. Sieht man nämlich von Toscaninis Aufnahme ab, so glaubt man bei Solti Puccinis Willen selbst zu hören. Ohne Frage ist Solti mit dieser Bohème eine absolute Referenzeinspielung gelungen, die auch in vielen Jahrzehnten noch als Maßstab gelten wird.

Hier geht es zur Referenzaufnahme der Puccini-Oper La Bohème mit Solti (1973).

Referenaufnahme Puccini, La Bohème, Nr. 3: Karajan, 1971

Karajan ist vielleicht nicht der erste Dirigent, der einem im Zusammenhang mit Puccini einfällt. Dennoch ist es vermutlich Karajans strenges Dirigat, das ihn in die Nähe Toscaninis rückt und ihn folglich zu einem ausgezeichneten Puccini-Interpreten macht. Dass zudem ein Dirigent vom Weltruhm eines Karajans auf die besten Sänger seiner Zeit zurückgreifen konnte, macht diese Aufnahme nur um so hörenswerter. Niemand geringeres als Luciano Pavarotti singt den Rodolfo und wird von Mirella Freni als Mimì begleitet. Elizabeth Harwood als Musetta und Nicolai Ghiaurov als Colline runden das Star-Ensemble ab. Hinzukommen mit den Berliner Philharmonikern der 1970er Jahre das vermutlich beste Orchester seiner Zeit. Vielleicht reicht diese reine Aufzählung der an der Aufnahme Beteiligten, um zu zeigen, dass auch diese La Bohème als Referenz gelten muss und folglich in jede gute Opern- und vor allem in jede gute Puccini-Sammlung gehört.

Hier geht es zu Karajans Referenzaufnahme der Bohème von 1971.

Weitere beachtenswerte La Bohème-Aufnahmen

Die o.g. Aufnahmen erheben selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Daher seien an dieser Stelle für interessierte Hörer/innen noch drei weitere Aufnahmen aufgelistet, die zumindest empfehlenswert sind.

Bildnachweis: „Giacomo Puccini sculpture (Lucca)“, by ConspiracyofHappiness (2008) via flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0 [Link zum Bild].

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