Weihnachtsoratorium: Beste Aufnahme

„Alle Jahre wieder“ kommt die Weihnachtszeit. Und damit die Weihnachtsstimmung im Advent nicht auf der Strecke bleibt greift mancher zu den Weihnachtsaufnahmen der Plattensammlung. Im Bereich klassischer Musik ist hier vor allem Bachs Weihnachtsoratorium (BWV 248) aus dem Jahr 1734/35 sehr beliebt und die Weihnachtsstimmung stellt sich bei den meisten Hörerinnen und Hörern bereits nach den ersten Takten ein: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage!“ Damit Bachs Weihnachtsoratorium auch in dieser Adventszeit ein Genuss wird, empfehlen wir hier drei Aufnahmen, die besonders herausragen aus der großen Zahl von Einspielungen.

Wie bei allen Diskussionen um sog. Referenzaufnahmen ist auch eine Diskussion über die beste Aufnahme des Weihnachtsoratoriums stets subjektiv. Wer beispielsweise die Solopartien des Oratoriums mehr liebt als die Chorpartien, wird Wert auf herausragende Solisten legen und vice versa. Wer eine historische Aufführungspraxis bevorzugt, wird mit den ‚romantisierenden‘ Einspielungen der frühen 1950er und 60er Jahre nicht viel anfangen können (und vice versa). Manch einer bevorzugt trockenen Studioklang, manch einer den leichten Nachhall von Aufnahmen in Kirchenräumen. Der Merkmalskatalog, der jeweils für oder gegen eine Aufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium spricht, ist endlos; die Auswahl von Referenzaufnahmen an dieser Stelle also durchaus schwieriger als etwa bei solistischer Instrumentalmusik. Dennoch haben wir versucht, drei Aufnahmen des Weihnachtsoratoriums auszuwählen, die zu den besten Aufnahmen zählen können (wir freuen uns aber selbstverständlich über Ergänzungen und Kritik: nutzen Sie dazu einfach die Kommentarfunktion am Ende dieses Artikels!).

1. Weihnachtsoratorium, Beste Aufnahme: Karl Richter, 1965

Weihnachtsoratorium Aufnahme mit Karl RichterKarl Richter (1926-81) darf ohne Zweifel als einer der wichtigsten Bach-Interpreten des 20. Jahrhunderts gelten. Seine Einspielungen der h-Moll-Messe oder der Brandenburgischen Konzerte zählen bis heute zu den großen Leistungen der Bach-Aufnahmen. Dabei steht Richter für eine sehr spezielle Auffassung von Bach, die heute nicht immer von allen Liebhabern barocker Musik geteilt wird – die Rede ist von einer spät- oder hochromantischen Interpretationsform. Richter setzte sich stark dafür ein, Bach auf modernen Instrumenten zu spielen und das ganze Klangspektrum eines romantischen Sinfonieorchesters und großen Chors auszunutzen, um Bach zum Klingen zu bringen. Für Klangpuristen ist Richter also sicherlich der falsche Griff. Richters Aufnahme des Weihnachtsoratoriums jedoch ist v.a. auf Grund der brillianten Solistenbesetzung ein Meilenstein: Fritz Wunderlich, Christa Ludwig, Gundula Janowitz und Franz Crass singen hier auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren. Einzig die Chorpartien sind nicht immer überzeugend, da der Münchener Bach-Chor 1965 noch ein Laien-Chor war, was man häufig auch heraushört, etwa in den Chorpartien „Wie soll ich dich empfangen“ oder „Schaut hin, dort liegt im finstern Stall“. Nichtsdestotrotz bleibt Richters Aufnahme für Liebhaber romantischer Bach-Einspielungen und für Freunde guten Solo-Gesangs die Weihnachtsoratorium-Referenzaufnahme. Dass sie zudem aktuell für den sehr günstigen Preis von 10,99€ zu haben ist, macht die Aufnahme noch empfehlenswerter!
Hier geht es zur Referenzaufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium von Karl Richter, 1965.

2. Gute Aufnahme vom Weihnachtsoratorium auf CD: Ralf Otto, 1991

Ralf Ottos Aufnahme des WeihnachtsoratoriumsAuf Ralf Ottos Aufnahme des Weihnachtsoratoriums ist selbstverständlich das von ihm gegründete Vokalensemble Frankfurt zu hören, das auf dieser Einspielung sehr überzeugen kann. Damit ist bereits der erste und deutlichste Unterschied von Ottos Aufnahme zu Richters Aufnahme genannt: die Qualität des Chores, die bei Richter die Achillesverse seiner Aufnahme ist. Die Prominenz der Solisten ist bei Otto daher nicht ganz so hochkarätig wie bei Richter, muss sich jedoch auch nicht verstecken: Christoph Prégardien, Monica Groop, Klaus Mertens und Ruth Ziesak machen eine hervorragende Arbeit. Besonders Prégardiens Darbietung ist glasklar und im guten Sinne undramatisch. Ähnlich wie Richter ist auch Otto kein Freund der Historischen Aufführungspraxis, so dass das Concerto Köln in den romantischen Partien von Bachs Weihnachtsoratorium auch schon einmal schwelgen darf.
Hier geht es zur Referenzaufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium von Ralf Otto, 1991.

3. Bachs Weihnachtsoratorium, empfehlenswerte Aufnahme: Ton Koopman, 1996

CD-Empfehlung Weihnachtsoratorium mit Ton KoopmanAbschließend sei an dieser Stelle eine Aufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium vorgestellt, die sich der historischen Aufführungspraxis verbunden fühlt und so einen Gegenpol (oder positiv ausgedrückt: eine gute Ergänzung) zu Richter und Otto bietet. Es ist eine Aufnahme des holländischen Dirigenten Ton Koopman, der den meisten Bach-Liebhabern durch seine Gesamtaufnahme der Kantaten bekannt ist. In Koopmans Weihnachtsoratorium ist erneut Christoph Prégardien zu hören und es ist spannend, zu erleben, wie Prégardien seine Partie bei Otto singt und wie er sie bei Koopman gestaltet: Streckenweise hat man das Gefühl, es handelt sich um zwei verschiedene Sänger. Es empfiehlt sich also, Koopmans und Ottos Aufnahme direkt zu vergleichen. Bei Koopman wird das Solisten-Ensemble ergänzt um Lisa Larsson, Klaus Mertens und Elisabeth von Magnus – mit diesen Solisten hat Koopman auch häufig bei der Kantaten-Einspielung zusammengearbeitet. Kurz: Auch Koopmans Aufnahme darf mit einigem Recht als eine der besten Aufnahmen von Bachs Weihnachtsoratorium gelten und sollte in keinem Plattenregal (bzw. auf keinem weihnachtlichen Gabentisch) fehlen.
Hier geht es zur Referenzaufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium von Koopman, 1996.

Bildnachweis: Johann Sebastian Bach, Erste Seite des Weihnachts-Oratorium von Johann Sebastian Bach, BWV 248. Lizenz: Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Link zum Bild.

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6 Antworten zu Weihnachtsoratorium: Beste Aufnahme

  1. Joachim sagt:

    Vor vielen Jahren hatte ich eine Aufnahme des Weihnachtsoratoriums von Nikolaus Harnoncourt auf Schallplatte, die ich sehr mochte und die für mich eine richtige Referenzaufnahme war. Leider ist die Platte bei einem Umzug weggekommen und ich suche sie seitdem sehr dringend. Wissen Sie, welche Aufnahmen vom Weihnachtsoratorium Harnoncourt gemacht hat? Gibt es da irgendwo eine Liste?

    Danke vorab, Joachim

    • Bach-Liebhaber sagt:

      Ich weiß zwar nicht, welche Aufnahmen vom Weihnachtsoratorium Nikolaus Harnoncourt gemacht hat, aber ich kann nur sagen, dass es für mich wahrhaft nur EINE Referenzaufnahme mit echtem Repertoirewert gibt: Die von 2007 mit Christine Schäfer (S), Bernarda Fink (A), Werner Güra (T), Gerald Finley (B) und Christian Gerhaher (B). Ergänzt wird dieses großartige Bach-Ensemble vom Concentus Musicus und dem wundervollen Arnold Schönberg-Chor. Bei JPC habe ich die CD für 12,99€ gesehen. Die läuft jetzt schon das dritte Jahr an Weihnachten rauf und runter bei uns zuhause. Frohe Weihnachten an alle Bach-Liebhaber!

  2. Helmut sagt:

    Meine Weihnachtsoratorium CD-Empfehlung ist nach wie vor die mit dem Thomanerchor Leipzig (Leitung: Thomaskantor Georg Christoph Biller). Ich habe sie seit drei Jahren und höre sie jedes Jahr mit so großer Freude, daß ich sie allen meinen Bekannten geschenkt habe. Diese sind gleichfalls begeistert davon. Ob es eine „Referenzaufnahme“ ist, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber sie gibt mir nun schon seit drei Jahren ein großes Stück Weihnachtsfreude. Ich möchte sie Ihnen, werter Autor, daher unbedingt empfehlen und würde mich freuen, Ihre fachkundige Meinung dazu zu hören. Herzliche Grüße aus Biberach.

  3. Thomas sagt:

    Ich habe letzthin wiedermal einige Dutzend Aufnahmen dieses wunderbaren Werks durchgehört und dabei eine – leider selten erwähnte – Entdeckung gemacht, die mit ihrem Schwung, ihrer chronischen Brlllanz und einem unglaublich homogenen, swingenden“ Originalklangorchester selbst Harnoncourt, Gardiner oder Herangehe in den Schatten stellt:
    Combattimento Consort Amsterdam und die Capella Amsterdam.
    Die DCs liegen in einem wunderschönen Buch mit viel Interessantem.

  4. Zeug sagt:

    Liebe Bachfreunde.

    Ich vertrete eine recht konservative Meinung was die Umsetzung der Bachschen Musik bzw. allg. Musik angeht.
    Es heist nicht Umsonst: Schuster bleib bei deinen Leisten…

    Ja es gibt gute Dirigenten samt Orchester und Chor etc. welche „den Bach“ recht gut herüberbringen können.
    Aus meiner Sicht kommt keiner an Thomaner Chor ran. Höchstens Kreuzchor Dresden. Was die Solisten angeht kann mann noch schlimmer geteilter Meinung sein. Theo Adam und Peter Schreier usw. waren nicht nur „DDR Größen“, sondern haben meistens auch entsprechnde „Bachsche Ausbildung“ genossen. Und genau da ist der Punkt. Nicht nur der Klang der Stimme ist wichtig…

    Ich stelle immer wieder fest wie sich bsw. Wiener an Bach versuchen. Sorry, aber das geht gar nicht. Bitte liebe Wiener ich mag euren Mozart wirklich sehr aber Bach ist was anderes… Genauso bitte liebe Leipziger, lasst den Mozart sein und bleibt bei Bach, weil das könnt Ihr.

    Mir graut es wenn ich diesen neuen Trennt des „deutschen Gospels“ höre…. Wer wirklich erlich ist bestätigt mir spätestens hier, dass „Wir“ Gospel NICHT können…

    Zur Referenzaufnahme also immer das Passende aus der Region in diesem Fall also immer Leipzig. Obschon der Kreuzchor wie gesagt sehr nahe dran ist… ist ja auch Sachsen 😉

    LG Zeug
    Bachfetischist

  5. Wernicke Dr. Thomas sagt:

    Eine der besten Aufnahmen des Weihnachtsoratoriums ist für mich die Aufnahme von John Elliott Gardener aus dem Jahre 1987 mit dem Monteverdi Chor und den Englisch Barock Solists. Die solistische Besetzung ist hervorragend und die einzelnen Stimmführungen sowohl im Chor als auch im Orchester sind klar und sehr gut moduliert. Dadurch entsteht eine interessante Mischung zwischen Kammer musikalischen differenzierten Melodieführungen, gesangssolistisch Melodien , orchestralen Passagen und großen Chorpassagen. Stets sind die Melodien klar heraushörbar, ohne durch Masse zu erdrücken. Dies wird der Zartheit der Musik, aber auch der Power an entsprechenden Stellen sehr gut gerecht.

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