Schubert, Klaviersonaten: Gesamtaufnahme

Franz Schubert muss sich häufig den Vergleich mit seinem Zeitgenossen Beethoven gefallen lassen. Wie Beethoven komponierte Schubert neun große Symphonien und wie Beethoven schrieb er eine Reihe großer Klaviersonaten, die bis heute in den Konzertsälen der Welt gespielt werden und in zahlreichen Aufnahmen vorliegen. Der Vergleich hinkt natürlich stark und setzt Schuberts symphonisches und kammermusikalisches Schaffen in ein falsches Licht. Wir wollen daher an dieser Stelle gar nicht auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden großen Komponisten eingehen, sondern stattdessen die einfache Frage beantworten: Welche Aufnahme der Klaviersonaten von Franz Schubert gilt als Referenz, welche sollte man sich möglichst anschaffen. Wir werden dabei ausschließlich Gesamtaufnahmen der Klaviersonaten berücksichtigen und alle Einzelaufnahmen außen vor lassen.

Schuberts Klaviersonaten – Komplett

Die Anzahl von Schuberts Klaviersonaten zu bestimmen ist nicht ganz unproblematisch, da viele Sonaten Fragment geblieben sind und einige nachweislich aus Sätzen zusammengefügt wurden, die unabhängig voneinander komponiert wurden. 21 Klaviersonaten ist jedoch die Zahl, die man gemeinhin findet. Von diesen 21 Sonaten hat Schubert immerhin 12 vollendet. Auch die sog. Wanderer-Fantasie wird von einigen Interpreten als Sonate im weitesten Sinne betrachtet (freilich ohne Einhaltung der strengen Sonatenform, die bei der Komposition im Jahr 1822 allerdings auch nicht mehr absolut verbindlich war); sie findet sich auf vielen Gesamtaufnahmen der Klaviersonaten angefügt. Die bekannteste Klaviersonate von Schubert ist ohne Frage die Sonate in B-Dur (D 960), die Schubert kurz vor seinem Tod im Jahr 1828 fertig schrieb; sie ist zudem die letzte Sonate, die der Komponist zu Papier brachte. Neben der B-Dur-Sonate ist die A-Dur-Sonate D 959 sehr bekannt (v.a. der melancholisch-introvertierte 2. Satz), sowie die energisch-aufbrausende c-Moll-Sonate (D 958). Neben diesen großen ‚Letzten Drei‘ sind auch Sonaten früheren Datums zum Teil sehr bekannt, wie die a-Moll-Sonate D 537 (1817) oder die G-Dur-Sonate D 894, komponiert 1826.


Schubert, Beste Gesamt-Aufnahme der Klaviersonaten: Wilhelm Kempff

Es ist wenig überraschend, dass an dieser Stelle die Aufnahme des deutschen Pianisten Wilhelm Kempff (1895-1991) als wichtigste Referenz in Sachen Schuberts Klaviersonaten genannt werden muss. Der lyrische Ton, für den Kempff berühmt geworden ist, die Schlichtheit seiner Interpretation und der tiefsinnige und gleichzeitig unübertriebene Ausdruck, machen Kempff zum prädestinierten Schubert-Interpreten. Zeit seines langen Lebens hat sich Kempff folgerichtig auch immer wieder intensiv mit Schubert auseinandergesetzt und dessen Werke in seine Konzertprogramme mit aufgenommen. Ab Mitte der 1960er Jahre begann Kempff mit der Aufnahme der Klaviersonaten für die DGG, die schließlich nach Erscheinen auch mit dem französischen „Grand Prix du Disque“ ausgezeichnet wurde. Die Gesamtaufnahme gibt es heute in einer digital überarbeiteten Box mit 7 CDs bei der Deutschen Grammophon. Der Begriff ‚Gesamtaufnahme‘ muss allerdings ein Stück weit eingeschränkt werden, da Kempff nur die vollendeten Sonaten spielt, es fehlen also die Sonatenfragmente mit den Deutsch-Verzeichnis-Nummern 567, 570, 571, 604, 612 und 655. Es sind 18 Sonaten auf den 7 CDs enthalten – alle vollendeten, sowie die zwei Sätze der Sonate D 840.

Hier geht es zu der Referenzaufnahme der Schubert-Klaviersonaten mit Kempff.

Schuberts Klaviersonaten, Gesamtaufnahme: Referenz – Alfred Brendel

Der österreichische Pianist Alfred Brendel (*1931) hat ebenfalls eine Aufnahme der Schubert-Sonaten vorgelegt, die sich einen Platz in jeder guten Plattensammlung verdient hat, wenngleich sie deutlich mehr Ecken und Kanten hat, als die runde Aufnahme von Kempff. Manchem Hörer gefallen gerade diese Ecken und Kanten besonders gut, manch einer hat hingegen Probleme mit diesen Eigenwilligkeiten. Die Aufnahmen der Sonaten in dieser Box sind allesamt in den 1970ern entstanden. Brendel hat die meisten der Sonaten, v.a. die ‚Großen Drei‘, in späteren Jahren erneut eingespielt, aber nicht mehr im Rahmen einer Gesamtaufnahme. Die vorliegende Box enthält zudem noch die Wanderer-Fantasie (s.o.), sowie ‚kleinere‘ Klavierwerke von Franz Schubert, z.B. die Impromptus und die Moments musiceaux. Das macht sie besonders empfehlenswert für Schubertianer, die gerne viel Klavier-Schubert aus einem Guss haben wollen. Die Klangqualität ist hörbar nicht auf modernstem Stand, da hätte die Decca durchaus noch mal digital nachbessern können. Das ist wohl für audiophile Schubert-Liebhaber das größte Manko an dieser Aufnahme. Nicht, dass der Klang ausgesprochen schlecht wäre, aber er fällt deutlich gegen die Klangqualität der älteren Kempff-Aufnahme ab – da hat die DGG mehr Arbeit investiert. Trotz allem ist Brendels Aufnahme eine, die gefallen kann und Schubert dabei gelegentlich auch mal ein Stück weit ‚gegen den Strich‘ bürstet, was ihn lebendig und spannend macht. Die Brendel-Aufnahme der Klaviersonaten ist daher ebenfalls eine echte Referenzaufnahme.

Hier geht es zu der Referenzaufnahme der Schubert-Sonaten mit Brendel.

Quellennachweis: „untitled“ by Egan Snow via Flickr (CC BY-SA 2.0).

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