Referenzaufnahme: Don Giovanni (Mozart)

Neben der Zauberflöte ist Mozarts Oper Don Giovanni seine vielleicht bekannteste und beliebteste Oper überhaupt. Für viele ist es überhaupt die Oper aller Opern. Der dänische Philosoph und Begründer der modernen Existenzphilosophie Søren Kierkegaard war nicht nur ein leidenschaftlicher Verehrer von Mozarts Oper, sondern widmete ihr auch einen sehr umfangreichen Teil in seinem philosophischen Hauptwerk Entweder – Oder (1843). Der deutsche Sozial-Philosoph und Musikkritiker Theodor W. Adorno widmete der Oper einen seiner vielleicht berühmtesten musikalischen Essays: „Huldigung an Zerlina“ (1952/53). Der französische Romancier Gustave Flaubert erwähnte in einem seiner Briefe, dass diese Oper zu den drei perfektesten Dingen gehört, die Gott [sic!] jemals geschaffen habe (die anderen beiden sind Shakespeares Hamlet sowie das Meer). Andere Komponisten haben sich der Oper immer wieder angenommen und Melodien darauf in eigenen Kompositionen verwendet, wie etwa Franz Liszt in seiner Opernfantasie Réminiscences de Don Juan (S. 418) oder Frédéric Chopin in seinen frühen Klavier-Variationen über das berühmte „Là ci darem la mano.“ Literaten, Musiker, Philosophen – sowie gewöhnliche Musikliebhaber hat Mozarts Don Giovanni immer wieder fasziniert und fasziniert bis heute. Die Oper steht regelmäßig auf den Spielplänen der größten und besten Opernhäuser der Welt und jährlich erscheinen zahlreiche neue Aufnahmen. Doch welche Aufnahme von Mozarts Don Giovanni kann als Referenzaufnahme gelten? Wir stellen zwei solcher Referenzaufnahmen von Mozarts Don Giovanni vor.


Referenzaufnahme Don Giovanni, Nr. 1: Fricsay, 1958 (mit Fischer-Dieskau)

Mozart, DON GIOVANNI - Aufnahme FricsayMöglicherweise ist Fischer-Dieskau nicht für jedermann der allererste Don Giovanni, da das Bild des kürzlich verstorbenen Sängers in der Öffentlichkeit stark von seinen Schubert-Einspielungen geprägt ist; also sowohl vom Liedgesang, als auch vom eher philosophisch-ernsthaften Ton. Vom heiteren Frauenverführer Don Giovanni scheint Fischer-Dieskau weit entfernt. Und dennoch… die hier vorgestellte Referenzaufnahme von Don Giovanni mit Fischer-Dieskau zeigt einen jungen, schelmischen Sänger in der Hauptrolle, wie er vielen Hörerinnen und Hörern so noch nicht bekannt gewesen ist.

Es ist die erste Don Giovanni-Einspielung Fischer-Dieskaus und zweifellos auch seine beste. Weiterhin empfehlenswert wird die Aufnahme durch das restliche Sänger-Ensemble, v.a. aber die Schweizer Sopranistin Maria Stader als Donna Elvira (besonders beeindruckend und ausdrucksstark in der Arie „Ah, fuggi il traditor“, eine Arie, die durch viele moderne, technisch perfekte, aber weitestgehend ausdruckslose Interpretationen viel von ihrem Reiz verloren hat; ein Reiz, den man bei Stader physisch spüren kann). Der deutsche Bass Karl-Christian Kohn ist ein guter Leporello; er bringt das spritzige Temperament aus seiner großen Paraderolle (Mozarts Figaro) mit in die Rolle und verleiht ihr die gewünschte Komik (wenngleich viele Hörer einem eher tragikomischen Leporello den Vorzug geben – das ist wohl Geschmacksache).

Die Deutsche Grammophon veröffentlicht diese über 50 Jahre alte Aufnahme als mit der eigens entwickelten Original Image Bit-Processing-Technologie überarbeitet; leider fehlte uns eine unbearbeitete Aufnahme zum Vergleich, so dass wir nur konstatieren können, dass der Klang dieser Aufnahme ausgezeichnet ist und auch auf modernen HiFi-Anlagen sehr warm und brilliant rüberkommt.

Mit derzeit 27,99 EUR für 3 CDs ist die Aufnahme im mittleren Preissegment angesiedelt, für die Qualität, die man bekommt, ist sie auf jeden Fall ein Schnäppchen: Es ist eine dieser Aufnahmen, die man alle paar Monate mit Freuden wiederhören wird, die vielleicht beste Aufnahme des Don Giovanni, eine echte Don GiovanniReferenzaufnahme eben.

Hier geht es zur Referenz-Aufnahme von Mozarts Don Giovanni mit Fricsay und Fischer-Dieskau.

Referenzaufnahme Don Giovanni, Nr. 2: Solti, 1997 (mit Bryn Terfel)

Bryn Terfel singt genial auf dieser Referenzaufnahme des Don Giovanni unter der Leitung von SoltiWenn man bedenkt, dass Terfel sein Operndebüt 1990 in einer Mozart-Oper gab (Guglielmo in Così fan tutte) und 1992 zum ersten Mal im Don Giovanni sang (als Masetto, wenig später auch als Leporello), ist es überraschend, dass er erst in den späten 1990ern die Titelrolle in dieser Oper übernahm.

Jedoch kann das als absoluter Glücksgriff angesehen werden, denn Terfels Stimme ist klang- und temperamentvoll. Vielleicht fehlt ihm das schelmisch-gerissene, das viele mit der Rolle des Don Giovanni identifizieren, aber dafür bringt er eine neue Interpretation der Rolle ins Spiel: die des triebgesteuerten, leidenschaftlichen und leicht dauererregten Verführers. Er singt die Partien oft hörbar zügiger als seine großen Vorgänger; ganz so, als hätte er es eilig von der Bühne runter- und ins Bett einer Frau hineinzukommen. Das gefällt nicht jedem und die Kritiken in Bezug auf diese Aufnahme waren auch gemischt. Dennoch halten wir sie für eine ausgesprochen gute Aufnahme des Don Giovanni.

Solti ist der perfekte Partner für Terfel, denn die raschen Tempi dirigiert er ohne Klangeinbußen, das London Philharmonic Orchestra spielt hervorragend unter ihm. Lediglich die übrigen Sänger auf dieser Aufnahme stellen einen kleinen Schwachpunkt dar; hier kann lediglich Renée Fleming als Donna Anna wirklich überzeugen.

Wem der Neupreis von rund 50,00 EUR zu hoch ist, findet über die gängigen Internetseiten gebrauchte CDs für weniger als die Hälfte. Eine Don Giovanni-Referenzaufnahme mit leichten Abstrichen, aber einem hervorragenden Terfel in der Titelrolle. Daher eine warme Kaufempfehlung.

Hier geht es zur Terfel-Aufnahme des Don Giovanni.

Deutschsprachige Aufnahme des Don Giovanni

Für viele Hörerinnen und Hörer, gerade solche, die zum ersten Mal eine bestimmte Oper hören, zählt oft weniger die Interpretation oder klangliche Brillianz, als die bloße Verständlichkeit. Ein wichtiger Faktor dafür ist natürlich die Sprache, in der gesungen wird. Die wenigsten Opernliebhaber sind des Italienischen mächtig und bevorzugen daher Einspielungen in deutscher Sprache; sie nehmen in Kauf, dass etwas vom Charme der Komposition verloren geht, solange sie den Operntext nur verstehen können.

Statt an dieser Stelle zahlreiche Einspielungen und Aufnahmen des Don Giovanni in deutscher Sprache vorzustellen (denn es gibt viele davon), verweisen wir hier lieber auf einen ausführlichen Artikel zum Thema Italienische Opern auf Deutsch, der auch einige Mozart-Opern bespricht.


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