Referenz-Aufnahme: Zauberflöte (Mozart)

Wir hatten bereits vor kurzem über Referenzaufnahmen von Puccinis La Bohème gesprochen, die statistisch die viertbeliebteste Oper der Welt ist. Den ersten Platz in der Kategorie ‚Meistgespielte Oper weltweit‘ hält aber eine Oper, die mit ihrer Komik der Dramatik von Puccinis musikalischem Verismo diametral entgegensetzt zu sein scheint: Mozarts Zauberflöte (Statistik: Operbase). Diese Oper war Mozarts letzte Oper. Er komponierte sie in seinem Todesjahr 1791 nach einem Libretto von Emanuel Schikaneder. Letzterer sang in der Wiener Uraufführung auch den Papageno, was vielleicht ein Grund dafür ist, weshalb die Rolle so publikumswirksam ist. Streng genommen handelt es sich bei Mozarts Zauberflöte um ein Singspiel, das anders als die Opera buffa keine Rezitative zwischen den Gesangspartien verwendet, sondern Dialoge, die von den Sängerinnen und Sängern gesprochen werden. Das andere große Singspiel Mozarts ist seine Oper Die Entführung aus dem Serail (1782); seinen Don Giovanni hingegen bezeichnete Mozart als ein Dramma giocoso, ein ‚lustiges Drama‘. Die Zauberflöte liegt in zahlreichen Einspielungen vor, von denen viele wirklich großartig sind. Wir stellen drei Aufnahmen von Mozarts Zauberflöte vor, die als Referenz gelten können.

Der Papageno macht die Zauberflöte

Wie bereits erwähnt ist die Rolle des Papagenos (Bariton) die zentrale Rolle der Oper, obwohl eigentlich die Abenteuer Taminos (Tenor) auf der Suche nach seiner Pamina (Sopran) im Vordergrund stehen sollten. Doch Taminos Passivität macht ihn zu einem ziemlich durchschnittlichen Helden. Schon seine allerersten Worte in diesem Singspiel lauten „Zu Hilfe, zu Hilfe!“. Spricht so ein Held? Wohl kaum! Und was macht unser fragwürdiger Held angesichts der gefährlichen Schlange, die ihn bedroht? Richtig, er fällt erst einmal in Ohnmacht. Glücklicherweise für Tamino und den Fortgang der Oper wird er von den Dienerinnen der Königin der Nacht gerettet. Diese händigen dem, ansonsten völlig verlorenen Helden gleich ein magisches Artefakt aus, damit er nicht gleich wieder bei der nächsten Gefahr wehrlos in Ohnmacht fallen muss. Das Artefakt ist natürlich: Die Zauberflöte. Auch im weiteren Verlauf der Oper kommt Tamino ohne kräftige Unterstützung nicht vorwärts, selbst Kinder helfen dem verhinderten Helden weiter… Das klingt zunächst zäh und nach einer recht uninteressanten Oper. Glücklicherweise muss Tamino nicht alleine durch das märchenhafte Ägypten reisen. Er wird begleitet von einem lebensfrohen Vogelfänger namens Papageno. Und hier wird die ganze Sache auf einmal brüllend komisch. Papageno fällt virtuos bei sämtlichen Prüfungen durch, erhält zwischenzeitlich Sing- und Redeverbot (in einer Oper!) und ist gegen Ende der Oper kurz davor, sich an einem Baum aufzuknüpfen (wozu es gottseidank nicht kommt). Kurz: Papageno ist der eigentliche Star des Singspiels, das er mit seiner ihm eigenen Portion Witz und Hanswurstigkeit vor dem bierernsten (eingebildeteten) Heldentum Taminos rettet. Eine gute Aufnahme der Zauberflöte muss daher in erster Linie an ihrem Papageno gemessen werden. Die folgenden drei Aufnahmen sind nicht zuletzt deshalb Referenzaufnahmen der Zauberflöte, weil herausragende Sänger den Papageno geben.

1. Beste Aufnahme der Zauberflöte: Böhm, 1955

Mozart Zauberflöte, Karl BöhmDiese Aufnahme kann als beste Aufnahme der Zauberflöte gelten, ganz einfach, weil Walter Berry der beste Papageno gewesen ist. Möglicherweise braucht diese Rolle einen eingefleischten Wiener wie Berry, der auf dieser Aufnahme gerade einmal 26 Jahre alt gewesen ist. Er hatte diese Rolle erstmals drei Jahre zuvor, 1952, gesungen; und dennoch ist seine Interpretation auf dieser Aufnahme unerreicht: heiter, spritzig, komisch, wienerisch. Die Wiener Philharmoniker klingen unter dem österreichischen Dirigenten Karl Böhm (1894-1981) brilliant. Auch andere Rollen wurden von Österreichern verkörpert, wie etwa die Rolle der Pamina, die auf dieser Platte von Hilde Güden gesungen wird; oder Wilma Lipp (Königin der Nacht), die ohnehin als eine der besten Mozart-Interpretinnen weltweit gilt. Nur mit Kurt Böhme holte Böhm sich einen deutschen Sänger ins Ensemble dieser Aufnahme: er gibt einen ruhig-weisen Sarastro. Die Aufnahme von 1955 ist auch klanglich recht ansprechend, wenngleich man bei einer fast 60 Jahre alten Aufnahme keine tontechnischen Wunderwerke erwarten kann. Ins Plattenregal gehört diese Aufnahme der Zauberflöte auf jeden Fall.

Hier geht es zu der besten Aufnahme der Zauberflöte von Karl Böhm, 1954.

2. Referenzaufnahme der Zauberflöte: Fricsay, 1954

Mozart, Magic Flute, Fricsay Best RecordingDer österreichisch-ungarische Dirigent Ferenc Fricsay starb 1963 sehr jung mit 48 Jahren. Dennoch gelang es ihm zu Lebzeiten ein breites Repertoire einzuspielen, wobei seine Schwerpunkte v.a. auf der Wiener Klassik lagen, speziell Mozart und Haydn, den er für das 20. Jahrhundert weitestgehend wiederentdeckte; sowie auf der Musik des 20. Jahrhunderts. Seine Zauberflöte von 1954 ist eine bezaubernde Aufnahme von musikalisch großer Reife. Ihr einziges Manko ist, wenn man das als Manko ansehen will, dass die Aufnahme in Mono ist, was audiophile Musikliebhaber enttäuschen dürfte. Ansonsten jedoch ist die Aufnahme von vorne bis hinten zu empfehlen. Dietrich Fischer-Dieskau singt den Papageno und macht das überraschend gut. Wer Fischer-Dieskau v.a. über den Liedgesang kennt, wird vielleicht komödiantisches Talent bei ihm nicht erwarten. Doch hier zeigt er sich von seiner heiter-lustigen Seite. Ernst Haefliger singt den Tamino, Maria Stader dessen geliebte Pamina. Rita Streich und Josef Greindl runden das Ensemble als Königin und Sarastro ab. Das RIAS-Symphonie-Orchester Berlin klingt auf dieser Aufnahme unter Fricsay nicht weniger wunderbar, als Karajans Berliner Philharmoniker auf der unten erwähnten Aufnahme. Kurz, dies ist eine Aufnahme der Zauberflöte, die durchaus als Referenz-Aufnahme gelten kann. Wer sie noch nicht hat, sollte sie sich dringend zulegen.

Hier geht es zur Referenzaufnahme der Zauberflöte mit Fricsay, 1954.

3. Referenzaufnahme der Zauberflöte: Karajan, 1950

Karajan, Mozarts Zauberflöte, ReferenzaufnahmeKarajan und immer wieder Karajan. Auch wenn Karajan möglicherweise nicht der beste Mozart-Interpret aller Zeiten war, hat sein Ruhm stets die besten Musiker aller Zeiten angezogen, so dass auch bei dieser Aufnahme der Zauberflöte ein Star-Ensemble auftritt. Allen voran der Wiener Erich Kunz, der (zusammen mit Berry) sicherlich der berühmteste Papageno aller Zeiten war. Viele Hörerinnen und Hörer haben auch heute noch Kunz im Ohr, wenn sie an Papageno denken. Seine Stimme ist warmherzig und charmant, sein Papageno lustig und heiter, ohne dabei klamaukik zu sein (ein Hörbeispiel gibt es hier). Irmgard Seefried, die zu den Sopranistinnen der sog. „Goldenen Generation“ gehörte (zusammen mit Mödl, Güden, Nilsson, Schwarzkopf, della Casa und einigen anderen), singt auf dieser Aufnahme die Pamina. Wilma Lipp singt, wie auch in der o.g. Böhm-Aufnahme, die Königin. Leider fehlen bei dieser Aufnahme die Dialoge zwischen den Gesangsnummern. Ob es auch eine Aufnahme der Dialoge mit diesem Ensemble gibt, ist uns nicht bekannt. Karajans Tempi sind teilweise schon etwas beethovenhaft, was strengen Mozart-Liebhabern ein Dorn im Auge (oder Ohr) sein dürfte. Nichtsdestotrotz ist diese Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern eine absolute Referenz, wenn es um die Zauberflöte geht. Eine der besten Aufnahmen der Zauberflöte überhaupt, ein Muss für Karajan-Fans.

Hier geht es zu Karajans Zauberflöte von 1950.

Bildnachweis: „Die Zauberflöte II“ von Jussi Mononen (monojussi), via flickr.com. Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0. Link zum Bild.

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